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COVID-19 / Coronavirus: Enzymersatztherapie, Heiminfusion und tägliches Leben

Für den angemessenen Umgang mit der aktuellen Krisensituation, die Menschen mit Vorerkrankungen in besonderem Maße betrifft, sind verlässliche Informationen unabdingbar. Wir möchten mit einer losen Folge von Beiträgen über COVID-19 dazu beitragen, dass unsere Mitglieder und andere Pompe-Betroffene sowie ihre Familien gut informiert sind.

Wie geht es weiter mit Enzymersatztherapie, Heiminfusion und dem täglichen Leben in Zeiten persönlicher Isolation?

Viele Pompe-Betroffene machen sich derzeit Gedanken, ob und wie sie ihre Enzymersatztherapie fortführen können, sei es in Kliniken, Infusionspraxen oder als Heimtherapie. Wir halten es grundsätzlich für sinnvoll, die Enzymersatztherapie als einzige verfügbare Therapie bei M. Pompe nach Möglichkeit unverändert fortzusetzen. Wir raten dazu, sich bei Fragen und Problemen mit den betreuenden Ärzten und Kliniken zu besprechen. In dieser schwierigen Zeit gibt es aber nicht immer eindeutige Antworten und kein klares Richtig oder Falsch – so kann es sein, dass je nach Arzt oder Klinik unterschiedliche Empfehlungen gegeben werden und gegeben werden müssen.

Für die Durchführung der Enzymersatztherapie verweisen wir auf die gängigen Empfehlungen:

  • Kishnani, P., Steiner, R., Bali, D. et al. Pompe disease diagnosis and management guideline. Genet Med 8, 267–288 (2006) https://doi.org/10.1097/01.gim.0000218152.87434.f3
  • Edward J. Cupler, Kenneth I. Berger, Robert T. Leshner, Gil I. Wolfe, Jay J. Han, Richard J. Barohn, John T. Kissel. Consensus Treatment Recommendations for Late-onset Pompe Disease. Muscle Nerve 45(3) 319-333 (2012) https://doi.org/10.1002/mus.22329
  • A. T. van der Ploeg, M. E. Kruijshaar, A. Toscano, P. Laforêt, C. Angelini, R. H. Lachmann, S. I. Pascual Pascual, M. Roberts, K. Rösler, T. Stulnig, P. A. van Doorn, P. Y. K. Van den Bergh, J. Vissing, B. Schoser, and on behalf of the European Pompe Consortium. European consensus for starting and stopping enzyme replacement therapy in adult patients with Pompe disease: a 10-year experience. European Journal of Neurology 24(6) 768–e31 (2017) https://doi.org/10.1111/ene.13285

Erfahrungen mit dem zeitweisen Aussetzen der Therapie in der Schweiz machen deutlich, dass während einer längeren Therapiepause verlorengegangene Funktionen (Atmung, Gehstrecke) nach Wiederaufnahme der Therapie nicht vollständig wiedererlangt werden [Hundsberger, T., Rösler, K.M. & Findling, O. Cessation and resuming of alglucosidase alfa in Pompe disease: a retrospective analysis. J Neurol 261, 1684–1690 (2014). https://doi.org/10.1007/s00415-014-7402-z]. Es ist zu erwarten, dass dies für Kinder in verstärktem Maße gilt, ohne dass hierfür aber Daten vorliegen.

Andererseits gilt unzweifelhaft gerade für Menschen mit Vorerkrankungen (also auch M. Pompe) zur Vermeidung einer Ansteckung mit COVID-19 die Empfehlung, sich so weit wie irgend möglich zu isolieren. Dazu kann man auch das Verlassen des Hauses für den Erhalt der Enzymersatztherapie zählen wie auch den Kontakt zu Personal, das die Enzymersatztherapie als Heiminfusion verabreicht. Der Besuch und Aufenthalt in Kliniken und Praxen ist mit einem prinzipiell höheren Ansteckungsrisiko verbunden. Einfluss auf die Einschätzung des persönlichen Risikos haben unter anderem: Grad und Geschwindigkeit der Progression der Erkrankung, Alter, Beatmung (nichtinvasiv, invasiv, Dauer pro Tag), Zugang über einen Port, …

Die Entscheidung, ob und wie man die Enzymersatztherapie fortführt, ist also von mehreren Faktoren abhängig. Es ist kaum möglich, eine allgemeingültige Empfehlung zu geben; vielmehr steht jede/r Einzelne vor der Herausforderung, unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und Abwägung aller Chancen und Gefahren eine eigene Entscheidung zu treffen. Wir haben das Pro und Kontra für zwei häufige Fragen als Entscheidungshilfe zusammengestellt:

  • Sollte ich während der coronabedingt empfohlenen Selbstisolation mit der Enzymersatztherapie aussetzen?
    PRO:
    - Kein Kontakt zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts.
    - Kein Aufenthalt in der Öffentlichkeit auf dem Weg zur Klinik.
    - Kein erhöhtes Infektionsrisiko während des Praxis- oder Klinikaufenthaltes.
    - Die Grundversorgung ist zuhause besser als in einer Klinik oder Praxis unter der aktuellen Corona-Belastung.
    CONTRA:
    - Eine individuell unterschiedliche, von der Dauer des Aussetzens abhängige und teilweise unumkehrbare Verschlechterung der Symptome ist ggf. möglich.
    - Bei Kindern sind wahrscheinlich stärkere Effekte als bei Erwachsenen zu erwarten.
  • Sollte ich zur Heimtherapie wechseln?
    PRO:
    - Kein Kontakt zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts.
    - Kein Aufenthalt in der Öffentlichkeit auf dem Weg zur Klinik.
    - Sichere räumliche Trennung von anderen, gleichzeitig therapierten Patienten.
    CONTRA:
    - Das Heimtherapiepersonal stellt – trotz hoher hygienischer Standards – eine mögliche Infektionsquelle dar. Ob dieses Risiko höher oder niedriger als in der Klinik einzuschätzen ist, hängt von der jeweiligen Sorgfalt bei der Durchführung der Therapie und der konsequenten Umsetzung hygienischer Erfordernisse ab.
    - Die Möglichkeit der schnellen Umstellung auf die Heimtherapie ist unter den aktuellen Bedingungen fraglich und wird spätestens bei Eintreten eines Pflegenotstands nicht mehr möglich sein. Viele Kliniken arbeiten schon heute an der Leistungsgrenze und werden aus Kapazitätsgründen Anfragen zur Umstellung nicht mehr bearbeiten können.

Klinische Studien

Teilnehmer an klinischen Studien für die kommerzielle Therapie befinden sich in einer besonderen Situation. Hier sind in erster Linie die Unternehmen gefragt, die die Studien in Zusammenarbeit mit den klinischen Zentren durchführen. In Deutschland laufen derzeit klinische Studien von zwei Unternehmen:

  • Amicus Therapeutics:
    Die deutschen Teilnehmer an Studien von Amicus Therapeutics werden über ihre jeweiligen Studienzentren informiert; die Studienzentren werden von Amicus Therapeutics ständig über die aktuelle Situation informiert. Studienteilnehmer sollten sich bei Nachfragen an die Studienzentren wenden; wegen der aktuell hohen Belastung der Kliniken bitten wir, die Anfragen auf das Nötigste zu beschränken.
    Die International Pompe Association (IPA) informiert außerdem über ein Infoschreiben von Amicus Therapeutics (in englischer Sprache): COVID-19 Information from Amicus (PDF, 113 kB).
  • Sanofi Genzyme:
    Wir arbeiten daran, die Versorgung mit all unseren Medikamenten und Impfstoffen in enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten auf der ganzen Welt aufrechtzuerhalten. Bislang hat es keine Auswirkungen auf unsere Liefer- und Fertigungsabläufe gegeben. Das gilt auch für Wirkstoffe, die in klinischen Studien geprüft werden.
    In der aktuellen Lage ist der Umgang mit Ressourcen für Studien in den einzelnen Studienzentren von Ort zu Ort und von Tag zu Tag unterschiedlich. Daher sollten sich Patienten, die aktuell an laufenden klinischen Studien teilnehmen, bei Fragen direkt an den betreuenden Studienarzt in ihrem Studienzentrum wenden.
    Von Seiten Sanofi Genzyme stehen wir mit der dafür zuständigen Clinical Study Unit im Austausch und geben gerne weitere Informationen an Patientenorganisationen, sobald uns solche Informationen zur Verfügung stehen.

Tägliches Leben

Über die medizinischen Fragen hinaus sollte niemand vergessen, seiner eigenen allgemeinen Gesundheit (Körper und Geist) ausreichend Aufmerksamkeit zu widmen:

  • Nutzen Sie die Sozialen Medien, um mit der Familie, Freunden, Bekannten und der Pompe-Community in Kontakt zu bleiben! Telefongespräche, Chatnachrichten und Videogespräche sind nur einige der Möglichkeiten. Erweitern Sie Ihren Horizont, indem Sie sich neuen Gruppen anschließen, vielleicht sogar außerhalb Ihrer Muttersprache.
  • Informieren Sie sich bei Selbsthilfeorganisationen und tauschen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen aus!
  • Verstehen Sie die besondere Situation als Urlaub vom Alltag. Nutzen Sie die Zeit für Aktivitäten, die sonst vielleicht zu kurz kommen, zum Beispiel Online-Kulturerlebnisse, Spaziergänge, körperliches Training in den eigenen vier Wänden, Atemübungen, Körperbewusstsein und Entspannungsübungen.

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Wir danken dem Vorstand der International Pompe Association (IPA) für Beiträge zur Diskussion und Prof. Dr. med. Benedikt Schoser für die wissenschaftliche Beratung.

Hinweis: Dieser Beitrag dient der Information und gibt keine individuellen Behandlungsempfehlungen. Pompe Deutschland bewertet oder bevorzugt keine Produkte, Organisationen oder Unternehmen. Für Fragen der medizinischen Versorgung sollten die behandelnden Ärzte konsultiert werden.

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