Zukunftshoffnung Gentherapie?
Gentherapien erleben in den letzten Jahren eine Renaissance, nachdem die Forschung unter anderem im Jahr 1999 mit dem Fall Jesse Gelsinger einen deutlichen Dämpfer erhalten hatte. Auch für Morbus Pompe wird an neuen Therapie-Optionen gearbeitet, und es gibt eine ganze Reihe klinischer Studien, auch welche zur Gentherapie. Zum heutigen Auftakt des International Congress on Neuromuscular Diseases (ICNMD 2018) vom 6. bis 10. Juli 2018 in Wien veröffentlicht der Kongresspräsident Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold eine Pressemitteilung mit dem Thema Gentherapien sind für seltene, erblich bedingte neuromuskuläre Erkrankungen die große Zukunftshoffnung. Der Text beschreibt in knapper und einigermaßen laienverständlicher Form die wesentlichen Zusammenhänge und Zielrichtungen der Forschung, weshalb wir ihn hier in Auszügen wiedergeben. Auch wenn nicht alle beschriebenen Methoden auf Morbus Pompe übertragbar sind, werden uns in der nahen Zukunft etliche Begriffe begegnen, und wir werden uns schon bald verstärkt mit dem Thema Gentherapie auseinandersetzen.
Wien (pts024/06.07.2018/14:50) - Mit neuen Gentherapien unterschiedlicher Wirkweisen etablieren sich möglicherweise Behandlungsformen, die erstmals Patienten mit seltenen, erblich bedingten neuromuskulären Erkrankungen helfen können. Doch noch sind die Therapien außerordentlich teuer und auch nicht für alle Krankheiten und Betroffenen geeignet.
Ein therapeutisch düsterer Bereich unseres Fachgebiets waren bis vor kurzem die seltenen neuromuskulären Erkrankungen mit erblichem Hintergrund, denn es gab für betroffene Patientinnen und Patienten so gut wie keine Hoffnung auf Besserung oder Heilung. Glücklicherweise ändert sich das jetzt, und die Betroffenen profitieren zunehmend von der Erforschung und Entwicklung neuer genetischer Therapien. ... Weil diese Therapien mit sehr hohen Kosten verbunden sind und auch nicht für alle erblichen neuromuskulären Erkrankungen in Frage kommen, bedarf es einer sehr sorgfältigen Diagnose, um beurteilen zu können, bei welchen Patientinnen und Patienten diese neuen Therapien erfolgreich angewendet werden können.
Hier ein kurzer Überblick über die wesentlichsten neuen Zugänge.
Enzymersatztherapie und Gen-Stilllegung
Erbliche neuromuskuläre Erkrankungen (hNM) beruhen auf Genmutationen. Diese führen in der Regel dazu, dass ein Protein nicht mehr funktioniert oder toxisch wird. Das Protein kann unterschiedlichste Funktionen haben. Ist das Protein ein Enzym, so kann den Betroffenen mit einer Enzymersatztherapie geholfen werden. Den Patientinnen und Patienten müssen dafür regelmäßig Medikamente intravenös verabreicht werden. Bei den Stoffwechsel-Erkrankungen Morbus Pompe und Morbus Fabry wird die Enzymersatztherapie erfolgreich eingesetzt.
Ein weiteres Beispiel dafür ist die Transthyretin (TTR) Amyloidose, eine seltene vererbte, systemische, periphere Polyneuropathie ... Die Behandlung der Krankheit bestand darin, sie durch eine Lebertransplantation zum Stillstand zu bringen. Seit rund zehn Jahren kann man aber den Erkrankten diese Transplantation ersparen und die Amyloid-Polyneuropathie stattdessen mit einer Enzymersatztherapie behandeln.
Für die Behandlung der Transthyretin (TTR) Amyloidose wird heuer voraussichtlich zusätzlich das Medikament Patisiran zugelassen. Der Wirkstoff beruht auf RNA-Interferenz beziehungsweise auf dem Prinzip der Gen-Stilllegung. Kurze RNA-Stücke führen dazu, dass komplementäre mRNa abgebaut wird. In diesem Fall schaltet Patisiran die kodierte mRNA aus und die Bildung des schädlichen TTR-Proteins wird verhindert.
Defekte Proteine ausbessern
Verursacht eine Mutation den Defekt eines Proteins, das für eine Zelle lebensnotwendig ist, stehen derzeit mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um dies zu korrigieren, zum Beispiel mit Medikamenten: Werden Antisense Oligonukleotide regelmäßig zugeführt, verändert das zwar nicht die mutierte DNA, aber es korrigiert deren "Ablesung". Dadurch kann die Zelle wieder ein funktionierendes Protein bilden. Ein solches Medikament wird seit dem Vorjahr bei der Behandlung der Spinalen Muskelatrophie (SMA) eingesetzt und erwies sich vor allem im Frühstadium der Erkrankung als sehr erfolgreich. Diese Therapie hat allerdings auch heftige gesundheitspolitische Diskussionen ausgelöst: Das neue Medikament ist außerordentlich teuer und wahrscheinlich nur bei Kleinstkindern wirksam. Die Enttäuschung bei älteren Patientinnen und Patienten mit SMA ist verständlicherweise groß, da auch sie Hoffnungen in dieses Medikament setzen.
Auch bei der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne entwickeln sich neue Therapien wie Exon Skipping, Gen-Therapie und verschiedene andere Medikamente, die den Prozess verlangsamen.
Behandlung mit Virus und "Genschere" und immunsuppressive Therapien
Eine weitere Methode der Gentherapie besteht darin, einem Organismus gesunde DNA zuzuführen, wenn er eine mutierte DNA in sich trägt. Die gesunde DNA wird mithilfe eines Vektors eingebaut, der in der Regel ein Virus ist. Somit kommt es zur Produktion eines gesunden Proteins. In ersten kleineren Studien wurden Säuglinge mit SMA erfolgreich mit einer einzigen Injektion behandelt. Diese Therapien könnten in den nächsten Jahren Einzug in den klinischen Alltag finden.
Die neueste vielversprechende Entwicklung der Gentherapie zur Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen ist die CRISPR-CAS9-Methode. Mit dieser "Genschere" lässt sich die DNA chemisch an genau der Stelle ausschneiden, an der die Mutation sitzt. Der dann einsetzende Reparaturmechanismus eliminiert den Defekt, das entspricht einer genetischen Korrektur. Bei ersten Versuchen mit Mäusen konnte diese Behandlungsmethode den Erkrankungsbeginn von genetischer Amyotropher Lateralsklerose (ALS) verzögern. ...
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