Jedes Jahr werden in unserer Klinik Kinder vorgestellt, bei denen über einen längeren Zeitraum bei Blutuntersuchungen erhöhte Transaminasen im Rahmen der Labordiagnostik aufgefallen waren. Transaminasen werden vereinfachend meist als Leberwerte bezeichnet, weil sie sehr oft auf eine Lebererkrankung hindeuten. Auch Ärzte denken bei erhöhten Transaminasen fast immer zunächst an eine Lebererkrankung.

Es kann lange dauern, bis klar wird, dass erhöhte Transaminasen auch Ausdruck einer Muskelerkrankung sein können. Wird dann neben Transaminasen auch das Muskeleiweiß Creatinkinase (CK) im Blut bestimmt, finden sich stark erhöhte Werte. Eine erhöhte CK Aktivität weist bei Kindern häufig auf eine angeborene Muskelerkrankung hin.

Inzwischen kennen wir viele verschiedene Muskelerkrankungen mit CK-Erhöhung. Im Rahmen der Diagnostik sollte immer an inzwischen behandelbare Muskelerkrankungen gedacht und eine entsprechende Untersuchung veranlasst werden.

Der niederländische Arzt Joannes Pompe beschrieb 1932 bei einem im Alter von sieben Monaten verstorbenen Mädchen erstmals eine Muskelerkrankung, insbesondere der Herzmuskulatur, mit ungewöhnlich großen, geschwollenen Muskelzellen. Er wies nach, dass diese Erkrankung durch Einlagerung des Speicherkohlenhydrats Glykogen in der Muskulatur verursacht wird. Die Erkrankung wird inzwischen nach ihrem Erstbeschreiber Morbus Pompe genannt.

Tritt die Erkrankung bei Säuglingen auf, führt sie zu einer generalisierten Muskelschwäche, die auch den Herzmuskel betrifft. Noch vor 15 Jahren führte diese früh auftretende Verlaufsform im ersten Lebensjahr regelhaft zu einem tödlichen Herzversagen. Der Morbus Pompe kann aber auch später und in jedem Lebensalter auftreten, auch bei Erwachsenen.

Patienten mit Morbus Pompe haben im Blut immer eine CK-Erhöhung. Aufgrund eines angeborenen genetischen Defekts fehlt ihnen ein Enzym, das wesentlich am Glykogenabbau beteiligt ist. Der gestörte Glykogenabbau führt zu einer Glykogenspeicherung in den Muskelzellen. Die Aktivität des Enzyms kann in einem Bluttest bestimmt werden.

Das Enzym ist seit über zwölf Jahren als Medikament zugelassen und verfügbar. Patienten mit Morbus Pompe erhalten lebenslang das fehlende Enzym alle zwei Wochen als Infusion über die Vene verabreicht. Es handelt sich um eine sehr teure Therapie, die in Deutschland die Krankenkassen übernehmen. Wir behandeln in unserer Klinik mehrere Patienten mit dieser früher tödlichen Erkrankung, die inzwischen krabbeln oder auch laufen gelernt haben. Es ist daher wichtig, bei der Abklärung von Transaminasenerhöhungen immer auch an Muskelerkrankungen mit CK-Erhöhung und den Morbus Pompe zu denken.

Der niederländische Arzt Joannes Pompe hat dieses alles nicht mehr miterlebt. Er war gläubiger Katholik und beteiligte sich am Widerstand gegen die deutschen Besatzer der Niederlande. Nachdem in seinem Labor eine geheime Funkanlage entdeckt worden war, wurde er im Februar 1945 inhaftiert und im April 1945 im Alter von 44 Jahren erschossen – zwei Wochen vor der Befreiung der Niederlande.